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Der 20. September 2005 ist eine wolkenloser Spätsommertag - wie für ein Foto gemacht. Auf einem tristen Parkplatz, auf dem nun ein belangloses Einkaufszentrum steht, wollen wir unsere Kamera aufbauen. Ein Mitarbeiter einer Security Firma kommt und wird misstrauisch. Es dauert, bis er nach einigen Telefonaten weiss, dass wir das, was
wir hier tun, dürfen.
Einige Stunden später steht unsere Kamera, zwei mal zwei mal zwei Meter groß. Durch ein kleines Loch wollen wir im Inneren der Kamera ein Bild projizieren und belichten.
An alles hatten wir gedacht: Kompressor, Kaffeemaschine, Stichsäge, Bier. Nur nicht daran, dass sich eine zusammengezimmerte Kiste aus schwarzer Kunststofffolie unter der stundenlangen Sonneneinstrahlung auf über 50° erhitzt. Wir kriechen mit dem Fotopapier und der Fotochemie in unsere Kamera. Es ist unerträglich heiss. Wir belichten das Bild fünf Minuten lang. Danach wird Entwickler, Wasser, Fixierer und wieder Wasser über das Bild geschüttet und mit einem Schwamm auf dem Fotopapier verteilt. Die Verbindung von Hitze und Chemiedampf bringt uns an die Grenzen des Noch-Erträglichen. Aber wir müssen das Bild fertigstellen. Kurz dannach kriechen wir wieder aus der Kamera heraus. Wir waren kurz vor dem Kollaps. Der saure Geschmack des Fixierers, den man im Mund spürte, sollte den ganzen Abend nicht verschwinden.
Das Bild ist wunderschön geworden und war eine Woche am Parkplatz zu sehen. Danach, so wollte es unser Plan, wurde es von der Baufirma weggebaggert, weil man mit den Fundamenten für das Einkaufszentrum begann.
Heute tut es uns leid, dass wir das Bild nicht gerettet haben. Damals haben wir uns darüber gefreut, dass es zerstört wurde. Wir haben uns das Bild oft vor Ort angesehen. Es war negativ und sehr abstrakt. Und es war schwierig, es mit irgendeiner Realität abzugleichen. Eigentlich war es eine Hommage an Niépces Blick aus dem Fenster.
Und seit dem ersten Foto der Welt (1825) wurde hart daran gearbeitet, den Realitätscharakter der Fotografie zu optimieren.
Eigentlich mögen wir gar keine abstrakten Bilder, sondern Fotos, die das zeigen, was wir sehen.
Aber wir mögen unser abstraktes Bild. Und wir lieben die Fotografie.
Inmitten der heissen Kamera zu sein und sich während der Belichtung auf den Boden zu legen um das Entstehen des Bildes nicht zu stören war ein wunderschöner Moment.
Solche Momente suchen wir in unserer Zusammenarbeit.
Eigentlich mögen wir gar keine abstrakten Bilder
sondern Fotos, die das zeigen, was wir sehen.
Pascal Petignat
Geboren 1969 in der Schweiz. Ausbildung am Staatlichen Lehrerseminar in Biel (CH).
1991- 1996 Ausbildungen im Bereich der künstlerischen Fotografie am ICP- New York und an der Höheren Schule für Gestaltung in Zürich. 1996 Umzug nach Wien. Seither als freier Fotograf und Künstler in verschiedenen Bereichen tätig.
2004 Gründung von fotoK zusammen mit Martin Scholz, gemeinsame Leitung des Zentrums für künstlerische Fotografie in Wien bis 2018. Lebt in Wien.

Martin Scholz
geboren 1967 in Zell am See (A). Ausbildung für künstlerische Fotografie an der École superieur des Arts plastiques „Le 75“ in Brüssel (B).
Als Künstler, Lehrer und Autor im Bereich der Fotografie tätig.
2004 Gründung von fotoK zusammen mit Pascal Petignat, gemeinsame Leitung des Zentrums für künstlerische Fotografie. Lebt in Wien.
September 20, 2005 is a cloudless late summer day - as if made for a photo. On a dreary parking lot, now occupied by a trivial shopping center, we want to set up our camera. An employee of a security company comes and gets suspicious. It takes some time until he knows after a few phone calls that we are allowed to do what we are doing here.
A few hours later our camera is set up, two by two by two meters. We want to project an image through a small hole inside the camera and expose it.
We had thought of everything: compressor, coffee machine, jigsaw, beer. But we didn't think about the fact that a carpentered box made of black plastic foil would heat up to over 50° under the hours of sunlight. We crawl into our camera with the photo paper and the photo chemistry. It is unbearably hot. We expose the picture for five minutes. Then developer, water, fixer and water again are poured over the image and spread on the photo paper with a sponge. The combination of heat and chemical vapor takes us to the limits of what we can still tolerate. But we have to finish the picture. Shortly after, we crawl out of the camera again. We were on the verge of collapse. The sour taste of the fixer that we felt in our mouths would not go away for the whole evening.
The picture turned out beautifully and was on display at the parking lot for a week. After that, as our plan would have it, it was dredged away by the construction company because they were starting the foundations for the shopping center.
Today we are sorry that we did not save the picture. At that time we were happy that it was destroyed. We often looked at the picture on the spot. It was negative and very abstract. And it was difficult to match it with any reality. Actually, it was a tribute to Niépce's view from the window.
And since the world's first photograph (1825), hard work has been done to optimize the reality character of photography.
Actually, we don't like abstract images at all, we like photos that show what we see.
But we like our abstract image. And we love photography.
Being in the middle of the hot camera and lying down on the floor during the exposure to not disturb the creation of the image was a beautiful moment.
Such moments we are looking for in our collaboration.
Actually we don't like abstract pictures at all
but photos that show what we see.

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