Am 5. juli 1833 stirbt Joseph Niecéphore Niépce im Alter von 69 Jahren in Saint Loup de Varenne. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Geschichte noch keine Notitz von dem Mann genommen, der später zum ersten Erfinder der Fotografie erklärt werden sollte.
Niépce wurde am am 7. März 1764 geboren. Neun Jahre nachdem Wolfgang Amadeus Mozart in Salzburg das Licht der Welt erblickt hatte. Es gibt eine Daguerrotypie von 1840 auf der die Witwe von Mozart abgebildet ist. Ein erstaunlicher Zeitbogen der sich hier spannt.
Von Niépce selbst gibt es keine Fotografie. Von seinen Miterfindern Henry Fox Talbot, Louis Daguerre und Hippolyt Bayard gibt es inszenierte Porträts. Talbot posiert fragend als Wissenschafter mit Kamera und Objektiv in der Hand, Daguerre etwas arrogant als wohlhabender Bourgois und Bayard, der völlig auf der Strecke geblieben war, macht ein Selbstporträt als Ertrunkener. Auf der Rückseite des Bildes vermerkt er folgendes: „Die Leiche des Mannes, die Sie umseitig sehen, ist diejenige des Herrn Bayard…Die Akademie, der König und alle diejenigen, die diese Bilder gesehen haben, waren von Bewunderung erfüllt, wie Sie selber sie gegenwärtig bewundern, obwohl er selbst sie mangelhaft fand. Das hat ihm viel Ehre, aber keinen Pfennig eingebracht. Die Regierung, die Herrn Daguerre viel zu viel gegeben hatte, erklärte, nichts für Herrn Bayard tun zu können. Da hat der Unglückliche sich ertränkt. H.B., 18. Oktober 1840.“
In Saint Loup de Varenne steht ein Denkmal, dass auf die Verdienste Niépce um die Erfindung der Fotografie verweist. Auf einem großen Steinblock an der Landstraße ist folgendes gemeißelt: „Dans ce village niecephore niepce inventa la photographie en 1822“. Und wenn es auch problematisch ist, die Erfindung der Fotografie einer Person zuzuschreiben, so war Niepce wohl der Erste, der die Erkenntnisse der Chemie und Physik so zusammengesetzt hat, dass es möglich war ein rein technisch erzeugtes Abbild der Welt zu machen - das mit dieser in einer gewissen Realität verbunden ist.
In seinem Haus, in Saint Loup de Varenne, hat Niépce geforscht, erfunden und experimentiert. Am Dachboden hat er sein Laboratorium eingerichtet und aus dem Fenster das erste Bild der Welt gemacht das als Fotografie gelesen werden kann. Doch dieses Bild zeigt nicht viel mehr als unscharfe Konturen. Der französische Senat hätte zu diesem Zeitpunkt wohl nicht zugestimmt diese Erfindung zu kaufen, wie er es 1839 tat. Dennoch steht es am Beginn der Entwicklung einer Fotografie, die seither akribisch darum bemüht ist immer genauere, schnellere, realistischere und allgegenwärtigere Bilder der Welt zu liefern.
Aber auf diesem Dachboden, des nun zum Museum umfunktionierten Hauses, ist nicht nur die erste Fotografie entstanden. Hier findet sich auch ein Fleck. Und es wird die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass es sich dabei um eine Spur des Erfinders handelt. Genauso wie sich der Blick aus dem Fenster auf die Metallplatte geschrieben hat, hat sich die Chemie hier in den Boden geschrieben. Eine unkonkrete Spur, die nicht auf die Fotografie verweist, sondern auf die Antifotografie. Auf das Experiment, das Zufällige, das Unkontrollierbare, das Unvorhergesehene, das nicht Bestimmte - das Magische in der Fotografie.
Eine unkonkrete Spur, die nicht auf die Fotografie verweist, sondern auf die Antifotografie.
Installation
80 Meter Papierolle Fuji digital, Papierspender, ILFORD Ciba Prozessor , Gestell, Laborschalen, Entwickler, Fixierer.
Choreography of the Frame, Kunsthalle Exnergasse, 2018
Curated by Maia Gusberti und Michaela Schwentner
Foto: Wolfgang Thaler, Wien

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