Was tun, wenn einem die Welt in Stücke geht?
Ich gehe spazieren, und wenn ich sehr viel Glück habe, finde ich Pilze. Pilze werfen mich auf meine Sinne zurück, nicht einfach - wie bei Blumen - durch ihre ausgelassenen Farben und Düfte, sondern weil sie so unerwartet aufschießen und mich an das Glück erinnern, einfach da zu sein. Dann weiß ich, dass es noch Freuden gibt inmitten der Schrecken der Unbestimmtheit.
Anna Lowenhaupt Tsing - Der Pilz am Ende der Welt


Die Arbeit beginnt mit einem Bild im Format 26x20cm zu dem jedes Monat ein neues hinzu kommt. Die einzelnen Bilder sind großteils im Hochformat und finden sich zu einer größeren, sich in Beziehung setzenden Serie zusammen. Es entsteht eine Art Buch aus losen Blättern.
Thematisch wendet sich die Serie mehr oder weniger Lebendigem zu. Der Titel übernimmt das Kunstwort Kritter von Karin Harrasser für das Englische Critter, wie es Donna J. Haraway in Staying with the Trouble verwendet: „Critter ist ein im Amerikanischen für alles mögliche Getier gebräuchlicher Begriff. Laborwissenschaftlerinnen reden die ganze Zeit über ihre critter; viele andere Leute überall in den USA ebenso, vielleicht besonders im Süden. Der Makel der Kreatur und der Kreation [die Assoziation mit der Schöpfungsgeschichte] haftet nicht an critter. Solche semiotischen Seepocken sollten eliminiert werden. In diesem Text verwende ich critter großzügig: für Mikroben, Pflanzen, Tiere, Menschen, Nicht-Menschen und manchmal auch für Maschinen.“
Es werden also Mikroben, Pflanzen, Tiere, Menschen, Nicht-Menschen und vielleicht manchmal auch Maschinen zueinander gestellt. Oder besser in Beziehung gesetzt, um ein semantisches Netz an (Bild-) Information zu erzeugen, ein Modell von Begriffen und ihren Beziehungen. Und nochmal Haraway: „Keine Art handelt allein, nicht einmal unsere eigene arrogante, die auf Basis sogenannter moderner, westlicher Skripte so tut, als würde sie aus artigen Individuen bestehen. Es sind Assemblagen organischer und abiotischer Akteure, die Geschichte machen, evolutionäre und andere auch.“
Diese Assemblagen, dieses in Beziehung setzen führt zu den Beziehungsweisen von Bini Adamczak und der von ihr zitierten Stelle von Karl Marx und Friedrich Engels: Die Gesellschaft besteht nicht aus Individuen, sondern drückt die Summe der Beziehungen aus, worin diese Individuen zueinander stehen.“ Und weil wir bald zweihundert Jahre später wissen, dass mit Gesellschaft nicht nur die Summe menschlicher Beziehungen gesehen werden kann, sondern vielmehr die Beziehungen aller menschlichen und nicht-menschlichen gedacht werden muss, sind wir wieder bei den von Haraway definierten Beziehungsweisen von Kritter.

Edition als Abonement mit Zusenadung von jeweils einem Bild pro Monat
Pigmentdruck, 20x26cm auf unterschiedlichem Papier
Auflage: 20

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